Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen

Gibt es so etwas wie ein Gesellenstück oder Meisterstück bei Buchübersetzungen?
Ich finde: ja. Übersetzen ist ein Handwerk, das man erlernen kann. Zwar müssen Grundvoraussetzungen gegeben sein ‒ allen voran die Kenntnis mindestens zweier Sprachen ‒, aber dann heißt es vor allem üben, üben, üben. Wir trainieren das Sprachgefühl, aber auch den Umgang mit Problemstellungen; wir schärfen unseren Blick den richtigen Ton, für einen zu umständlichen Satzbau, für ein Zuviel an Füllwörtern oder Adjektiven. Wir kauen auf Wortspielen herum und fassen mit der Zeit leichter Mut, sich weiter vom Original wegzubewegen, um den deutschen Text besser klingen zu lassen.
Die meisten Literaturübersetzenden haben einmal „klein‟ angefangen, das heißt mit Büchern, die nicht gerade ganz oben auf der Titelwunschliste standen. Denn als sie sich für den Beruf entschieden, hatten sie sicher eine Vorstellung davon, welche Bücher sie übersetzen wollten. Im Laufe der Zeit haben sich Schwerpunkte herausgestellt, und bei den meisten ist sicher irgendwann auch ein Traumtitel auf dem Tisch gelandet.

Wie aus Zufall eine Leidenschaft entstand

So war es auch bei mir: Ursprünglich wollte ich Krimis übersetzen. Skandinavische Krimis. Das erste Buch, das ich zur Übersetzung bekam, war ein Kochbuch. Nicht gerade mein Traumprojekt, muss ich gestehen, auch wenn es sich um ein wirklich bildgewaltiges Werk handelte. Blaäugig sagte ich zu, allein nach dem Motto: Hauptsache ein Buch! Und mal ehrlich, ein Kochbuch, das kann doch so schwer nicht sein!
Cover Komm du mir nach Hause

„Das Kochbuch für die perfekte Ehefrau“, ein nicht ganz ernst gemeinter Untertitel.

Nun, es handelte sich um ein Kochbuch, das neben den Rezepten vor allem lustige Begleittexte und Anekdoten der Autorin, einer schwedischen TV-Moderatorin und -Köchin, enthielt. Hier war Humor gefragt, neben all den Fertigkeiten, die es braucht, um Rezepte korrekt zu übersetzen und von denen ich bis dahin keine Ahnung hatte.

Heute blicke ich stolz zurück auf dieses Werk, denn es legte den Grundstein für eine Spezialisierung, die ich so gar nicht beabsichtigt hatte. Auf dieses sollten bis heute 26 weitere Kochbücher folgen, bei denen ich nach und nach an meinen Fertigkeiten feilen durfte bzw. noch darf. Und das macht gut mehr als die Hälfte aller von mir übersetzten Bücher aus.

Das Gesellenstück, eine Koproduktion

Bücherregal mit Green Bonanza und Femmetastic

Bei der Buchmesse fand ich es dann dazu noch im Pavillon des Gastlandes Norwegen in illustrer Gesellschaft ‒ neben dem allerersten Kochbuch, das ich aus dem Norwegischen übersetzt habe.

Mein Gesellenstück in diesem Genre war dann das 2019 erschienene „Femmetastic‟ von Marianne Pfeffer Gjengedal und Klaudia Iga Pérès, das ich zusammen mit Daniela Stilzebach übersetzen durfte.
Eine doppelte Herausforderung: Zum einen das erste Projekt im Team, zum anderen ein sehr großer Anteil an anspruchsvollem Begleittext zu den Rezepten, nämlich Biografien zu den Frauen, deren Rezepte die Autorinnen in diesem auch noch wunderschön gestalteten Buch zusammengestellt haben. Durch das gegenseitige Lektorieren habe ich viel gelernt und mein Stil verfeinern können. Ein wunderbares Projekt. Und wie stolz ich war, als ich die riesigen Plakate am Stand des Sieveking-Verlags auf der Buchmesse sah!

Das Meisterstück

Was soll da noch kommen, das als Meisterstück durchgehen würde? Ich hatte keine Vorstellung ‒ bis mich im Frühjahr durch eine Empfehlung die Anfrage für ein 700 (!) Seiten dickes Kochbuch erreichte: Ein Jahrbuch des dänischen Sternekochs Claus Meyer, Mitbegründer des berühmten Restaurants Noma, das dreimal in Folge als weltweit bestes Restaurant ausgezeichnet wurde. Mehrere Rezepte für jeden Tag des Jahres, ein Kochbuch mit saisonalem, ganzheitlichen Ansatz.
 Dieses Projekt wird mich also eine ganze Weile beschäftigen. Und es macht jetzt schon großen Spaß! Die Zusammenarbeit mit dem Verlag ist außerordentlich angenehm, und ich darf endlich einmal wieder in InDesign arbeiten. Schon jetzt kribbelt es in meinem Bauch bei der Vorstellung, wie ich das fertige Buch endlich in den Händen halte.
Ob ich mich dann Meisterin des Kochbuchübersetzens nennen darf?
Was waren oder wären Eure Gesellen- und Meisterstücke ?
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