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Mein erstes Mal: Post-Editing einer maschinellen Übersetzung

Maschinelle Übersetzung ‒ kaum ein Begriff polarisiert in der Übersetzungsbranche so sehr wie dieser. Die einen verfluchen ihn als Machwerk des Teufels, dazu gedacht, uns Übersetzern die Arbeit wegzunehmen. Die anderen heißen die Vorteile der neuen Technik willkommen und preisen sie als Technologie der Zukunft, mit der sich Geld und Zeit sparen lässt.

Ich bin der Meinung, diese Technologie lässt sich nicht aufhalten. Und das muss auch gar nicht sein. Maschinelle Übersetzung nimmt uns Arbeit ab. Tatsächlich ist es doch so: Durch die Digitalisierung der Medien, allgemein durch die Technologisierung dieser Zeit, wird viel mehr Content produziert als früher. Es gibt schlicht viel mehr Text zu übersetzen, als das noch vor 10 Jahren der Fall war. Und es gibt viel mehr Text zu übersetzen, als alle menschlichen Übersetzer der Welt schaffen können.

Und bei allen Schwächen, die maschinelle Übersetzung immer noch hat (und darüber sind wir uns ja einig: die Kreativität, die ein menschlicher Übersetzer in seine Arbeit einbringt, wird ihm die Maschine so schnell nicht nachmachen), so gibt es doch genügend Texte, die sich problemlos maschinell übersetzen lassen. Und das sind dann auch meist Texte, auf die wir Übersetzer ohnehin keine Lust hätten. Um es mit Anne-Marie Colliander Lind zu sagen: „Technology takes away the boring, repetitive, transactional, low-value jobs, wich no-one enjoys anyway.‟ (Colliander Lind, Anne-Marie: Industry Trends and Consequences for Translators, in: Adams, Nicole Y.: Diversification in the language industry: Success beyond Translation. NYA Communications 2013.)

Die Kunst ist also die, die Vorteile der Technologie für sich zu nutzen (z.B. durch Erschließung des neuen Arbeitsfeldes Post-Editing), die Nachteile aber eben auch (durch Positionierung an dem Punkt, wo maschinelle Übersetzung an ihre Grenzen stößt).

Im Rahmen eines sehr großen Projektes, an dem ich zusammen mit 20 anderen Übersetzern ein Jahr lang arbeite, ist mir kürzlich auch das erste Mal maschinelle Übersetzung begegnet. Die Agentur stellt die Ausgangsdateien vorübersetzt zur Verfügung, überlässt es aber uns, ob wir damit arbeiten möchten oder lieber übersetzen wie üblich. Ich muss zugeben, ich war anfangs sehr skeptisch, konnte mir nicht vorstellen, dass bei der maschinellen Übersetzung eines Medizintextes Norwegisch-Deutsch Sinnvolles herauskommt. Und selbst wenn die Sätze Sinn ergeben würden, wären sie wahrscheinlich sprachlich alles andere als schön. Doch zu meiner Überraschung konnte ich feststellen, dass die vorübersetzten Segmente durchaus hilfreich sind. Und sprachlich gar nicht so übel. Positiv-Beispiel gefällig?

„De fleste tilfeller i Nord-Europa er smittet i Spania, inklusive Kanariøyene.‟ Wörtlich: „Die meisten Fälle in Nord-Europa wurden in Spanien angesteckt, inkl. Kanarische Inseln.‟ Die maschinelle Übersetzung lautete: „Die meisten in Nord-Europa auftretenden Fälle sind auf Ansteckung in Spanien zurückzuführen, inkl. den Kanarischen Inseln.‟ Da war ich doch recht beeindruckt, dass die Maschine eine Partizip-Konstruktion hinkriegt und eben nicht wörtlich übersetzt.

Aber ja, natürlich kommt dabei keine perfekte Übersetzung zustande. Insgesamt stelle ich fest, dass die Maschine Probleme mit der Satzstellung hat. Pünktlich zum Star-Wars-Start kommen dann regelmäßig Yoda-Sätze dabei heraus: „Die Krankheit in den Tropen auftritt.‟ Aber das ist vor allem unterhaltsam und sorgt für den einen oder anderen Schmunzler zwischendurch. Und manchmal liegt die Maschine eben auch komplett daneben: „ Mål væsketapet.‟ wird zu „Messen Sie flüssige Tapete.‟ Die Übersetzung lautet aber tatsächlich: Messen Sie den Flüssigkeitsverlust.‟ Ja, knapp daneben …

Ich habe nun das erste Projekt mit rund 20.000 Wörter maschineller Übersetzung abgeschlossen. Einige Segmente habe ich überarbeitet, andere dann doch vollständig gelöscht und neu übersetzt. Insgesamt stelle ich fest, dass die medizinische Fachterminologie fast immer richtig übersetzt wird, und das ist extrem hilfreich. Stilistisch helfe ich der Maschine dann eben noch auf die Sprünge. Eine direkte Zeitersparnis hatte ich nicht, aber ich bin so zumindest genauso schnell (etwa 800 Wörter pro Stunde) wie bei der Übersetzung mit Spracherkennungssoftware. Also durchaus auch für die zukünftigen Projekte in Erwägung zu ziehen.

Fazit

Man sollte neue Technologien nicht sofort verteufeln und ablehnen, ihnen aber auch nicht blind vertrauen. Maschinelle Übersetzung kann durchaus nützlich sein, wenn sie richtig und sinnvoll eingesetzt wird. Und Post-Editing als zusätzliche Leistung im Portfolio ist durchaus eine Überlegung wert.

Bild von falacompaulo auf Pixabay

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