Ich träume nicht, ich arbeite

 „If you are a copywriter’s boss, please understand that copywriters are working when they’re staring out the window.‟ (Scott Frothingham)

Diesen Spruch habe ich vor ein paar Monaten bei LinkedIn gesehen, und er hat mich seither sehr beschäftigt. Ich habe zwar keinen Boss, aber doch einen Geschäftspartner, der mich immer mal wieder fragt, ob alles in Ordnung ist, wenn ich mit leerem Blick aus dem Fenster starre. Natürlich ist alles in Ordnung. Ich schlafe oder träume nicht, ich arbeite.

Kreativarbeit – kann man die sehen?

Kreative Kopfarbeit ist Arbeit, die sich nur schwer messen lässt. Meist geht sie weit über das bloße Auf-die-Tastatur-Hämmern hinaus, mehr noch: Häufig wird es erst so richtig kreativ, wenn man nicht mehr am Schreibtisch sitzt. Wenn die vielen Informationsteilchen Gelegenheit hatten, an die richtige Stelle zu fallen, und mir plötzlich ein guter Titel, eine Struktur für den Artikel oder eine gute Anekdote durch den Kopf schießt.

Ideen und Inspiration brauchen Platz im Kopf. Und den bekomme ich nicht, wenn ich den Kopf mit Informationen und Aufgaben überfrachte. Das musste ich auch erstmal lernen. Besonders wenn Deadlines drohen oder sich viele Aufgaben gleichzeitig auf meinem Tisch türmen, schreit ja eigentlich alles in mir: Bleib dran, du musst noch X Zeichen schaffen!

Doch das ist kontraproduktiv: Der selbst gemachte Druck blockiert mich, der Ideenfluss ist zäh, mir fallen nur noch abgedroschene Redewendungen oder ewig die gleichen Phrasen ein. Und damit wächst der Druck natürlich nur noch mehr.

Nicht zuletzt ausgelöst durch den LinkedIn-Post habe ich begonnen, mich selbst zu beobachten: Wann bin ich besonders kreativ? Wann habe ich gute Ideen? Was mache ich alles, um in meinem Kopf Platz zu schaffen? Hier kommen die Top-5 meiner Kreativitätsstrategien.

1. Kopf durchlüften im Freien

Zugegeben, das ist jetzt nicht wirklich ein Geheimtipp. Aber ich habe eine Weile gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass ich selbst im größten Stress besser arbeite, wenn ich eine halbe Stunde vor die Tür gehe und mich etwas anderem beschäftige. Nach einem umfangreichen Briefing mit vielen Notizen gehe ich erstmal eine Runde spazieren, meist sogar mit Hörbuch auf dem Kopf, um durchzulüften und die Informationen sacken zu lassen. Oder drehe eine Laufrunde.

2. Morgens Kreativität, nachmittags Administratives

Ich bin ein Morgenmensch. Deshalb habe ich mir angewöhnt, kreative Aufgaben möglichst früh zu erledigen. Zum einen, weil mein Kopf dann noch frisch ist. Zum anderen aber auch, weil ich im Laufe des Tages durch E-Mails und die Anwesenheit meines Büropartners so oft abgelenkt werde, dass die Konzentration gleich null ist. Für administrative Aufgaben reicht es gerade noch, aber ich habe aufgehört zu versuchen, mich am Nachmittag zu Textaufgaben zu zwingen und dann auch noch zu hoffen, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Was allerdings ganz gut funktioniert, ist ein grober Entwurf, zum Beispiel für einen Artikel. Erstmal ohne viel Nachdenken alles runterschreiben, was ich weiß. Die Überarbeitung mache ich dann am nächsten Tag.

3. Aus dem Fenster starren

Den Blick heben, vom Text lösen. Vielleicht sich sogar eine Viertelstunde Prokrastinieren auf Facebook oder Instagram gönnen (solange man den Weg zurück noch findet). Das reicht manchmal schon, um sich aus der Textblockade zu befreien.

4. Brot backen

Ich bin wahrlich nicht die Einzige, die während des (ersten) Lockdowns das Brotbacken für sich entdeckt hat. Es ist ein aufwendiges Hobby, das in regelmäßigen Abständen meine Aufmerksamkeit braucht. Der Sauerteig will gefüttert und verarbeitet werden, Teige müssen in die Stock- und dann nochmal in die Stückgare, dazwischen wollen sie gefaltet und wieder in Ruhe gelassen werden, und irgendwann muss der Laib in den Ofen, dann klebt man wie gebannt an der Scheibe und kann es kaum erwarten, das Ergebnis anzuschneiden! Hier im Homeoffice lässt sich dieser Prozess hervorragend in den Arbeitsalltag integrieren. Ja, manchmal sind diese ganzen Arbeitsschritte eher ablenkend, da tippt man gerade einen Satz, und schon meldet sich der Timer, weil die Ofentemperatur heruntergedreht werden will. Aber ich merke, dass bei so kurzen Unterbrechungen mein Kopf einfach weiterarbeitet. Mein Gehirn formt einen Satz, formt ihn um, formt ihn nochmal um. Und wenn ich dann wieder am Schreibtisch sitze, fließt er aus meinen Fingern.

5. Jemandem davon erzählen

Brainstorming ist bekanntermaßen ein gutes Instrument, um die Kreativität anzukurbeln. Und auch wenn man allein im Homeoffice sitzt, gibt es doch genug Möglichkeiten, sich kreativen Input zu hole, über spezielle Textnetzwerke oder auch über Gruppen in den sozialen Medien. Wenn ich auf einem sprachlichen Problem herumkaue, hilft es mir, es in einer Facebook-Gruppe aufzuschreiben. Meist reicht schon das Formulieren meiner Fragestellung, dass ich einen Einfall bekomme und gar nicht mehr auf Senden klicken muss. Der Groschen ist sozusagen gefallen, und zwar einfach, weil ich versucht habe, mein Problem möglichst anschaulich zu erklären.

Was meine Kreativität hemmt

Mich beim kreativen Arbeiten zu beobachten, hat mir sehr geholfen, denn jetzt kann ich diese Strategien noch bewusster einsetzen, und der Output ist meist noch besser.

Umgekehrt habe ich auch einmal beobachtet, wann ich gar nicht kreativ sein kann. Meist sind das diese völlig zerfaserten Tage, die für Projektmanagement-Aufgaben und unzählige E-Mails draufgehen. Morgens mache ich einen Plan, was ich an dem Tag schreiben oder übersetzen will und muss, und dann kommt eine aufwendige Kundenanfrage ins Postfach geflattert, und der Plan zerbröselt sofort wieder. Bis es dann am Nachmittag wieder ruhiger ist und ich Zeit habe für Kreatives, ist mein Kopf leer, und ich weiß: Selbst wenn ich jetzt anfangen würde, es würde doch kein vernünftiges Ergebnis mehr dabei heraus (siehe Punkt 2). Neu für mich ist, dass ich es inzwischen auch nicht mehr versuche, sondern die Zeit mit anderen Dingen verbringe, die mir am nächsten Tag vielleicht ein wenig Luft verschaffen können für mehr kreative Arbeit.

Wenn sich aber mehrere solcher Tage aneinanderreihen und ich die Kreativarbeit weiter vor mir her schiebe, werde ich immer unzufriedener und bekomme Stress mit den Deadlines.

Um das zu verhindern, habe ich mir angewöhnt, gerade bei langfristigen Projekten (wenn ich ein Buch übersetze oder schreibe) morgens als erstes 1-2 Stunden daran zu arbeiten, bevor ich mich um E-Mails, Projektmanagement oder Angebote kümmere. Dann habe ich schon „etwas geleistet‟ (etwas in Seiten oder Zeichen Messbares), und mein Gewissen ist beruhigt.

Und ihr?

Was macht ihr, damit die Kreativität richtig gut fließt? Wie befreit ihr euch von Blockaden? Schreibt mir gerne, wie eure Strategien aussehen!

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